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Der Friede Gottes sei mit euch allen.

Was wir uns vor kurzem noch nicht vorstellen konnten, ist heute Wirklichkeit: Es ist
Sonntag, die Glocken läuten, die Türen unserer Kirchen sind offen, aber es finden
hier keine Gottesdienste statt.
Viele Gemeinden suchen andere Möglichkeiten, beschreiten neue Wege. Diese
Videoandacht am Sonntagmorgen ist eine Form, mit der unsere Landeskirche in den
nächsten Wochen weiterhin zum Gottesdienst einlädt.

Wir feiern heute den 4. Sonntag in der Passionszeit. Sein Name ist „Lätare“.
Das heißt auf Deutsch: „Freut euch!“ Ein Aufruf zur Freude, mitten in der
Passionszeit!? Wie passt das zueinander und wie passt das in unsere Zeit? Nicht
Freude, sondern Sorge bewegt uns angesichts der zunehmenden Zahl der
Menschen, die auch in unserem Land mit dem Coronavirus infiziert sind. Die
Lebensmöglichkeiten werden von Tag zu Tag mehr eingeschränkt. Die Unsicherheit
ist groß, wie es weitergehen wird. Und da sollen wir uns freuen?
Wir gehen auf Ostern zu. Es ist Halbzeit auf diesem Weg. „Kleines Ostern“ wird
dieser Tag in der Kirche genannt. Seine Lieder und Texte geben Trost und Hoffnung.
Zeigen nach vorn. Auf das neue Leben, auf den Neuanfang nach dem Dunkel.
Der Name Lätare kommt vom Sonntagspsalm: „Es freue sich das Herz derer, die
den Herrn suchen.“ (Psalm 105,3b) Menschen haben Grund, sich zu freuen. Mitten
in der Passionszeit, mitten in schweren Zeiten. Es ist eine Einladung zum Vertrauen,
mitten in Unsicherheit und Angst.

Genau davon handelt auch der Wochenspruch aus dem Johannesevangelium:

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein.
Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ Joh 12,24


Jesus ist unterwegs nach Jerusalem. Viele bewundern ihn – und er kann Menschen
helfen. Aber er selbst weiß: Es wird schwer, was ihn erwartet. Um seine Jüngerinnen
und Jüngern darauf vorzubereiten, gebraucht er ein Bild aus der Natur. Nur das
Korn, das in die Erde fällt, kann Frucht bringen. Das kennen sie. Säen und Ernten. In
die Erde fallen und sterben ist für ein Korn die Voraussetzung für neue Frucht.
Dieser Tod ist nicht Vergehen, sondern Verwandlung.

Weizenkörner, hart und glatt wie kleine Steine und doch voller Leben.
Alles ist darin angelegt: Keim und Ähre, vielfache Frucht. In jedem Korn liegt die
Verheißung zum Brot, das duftet und satt macht, das Gemeinschaft stiftet, wenn
man es teilt. Aber das neue Leben ist noch verborgen, eingeschlossen in eine feste
Schale, wie ein gut gehütetes Geheimnis.
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt …
Beim Wort „fallen“ bleibe ich hängen. Etwas muss fallen, damit Neues beginnt.
Wir erleben gerade, wie etwas fällt, wegfällt. Unsere Erfahrung, dass alles läuft. Die
Wirtschaft, das öffentliche Leben, der Alltag mit Arbeit, Schule, Freizeit, Einkaufen…
die vertrauten Abläufe. Das, was selbstverständlich war, was unserem Leben
Stabilität gegeben hat, bricht auf einmal weg.
Das Weizenkorn fällt in die dunkle Erde. So dunkel ist unsere Angst, weil wir nicht
wissen, was kommt.
Doch nur so kann das Weizenkorn keimen und Frucht bringen. Umbruch und
Verunsicherung bergen etwas Gutes. In ihnen liegt der Keim des Neuen und die
Kraft zur Verwandlung.
„Fallen“ ist ein Wort, das schillert zwischen aktiv und passiv: „Ich falle“ – und: „Ich
lasse mich fallen“
Mich fallen lassen … meine Anspannung fallen lassen. Die Sorge, alles richtig zu
machen. Mich fallen lassen in Gottes Arme, hinein in ein großes Lebensvertrauen.
Auch dazu ermutigt der Wochenspruch. So, wie der Sämann, von dem Jesus in
einem Gleichnis erzählt: Er tut alles, was er zu tun hat und dann überlässt er das
Wachsen dem, der Wachstum und Gedeihen gibt.
Alles tun, was jetzt dran ist. Von dem wir wissen- oder von dem uns gesagt wird,
dass es nötig ist, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Alle Vorkehrungen
treffen, die wir treffen können. Und dann loslassen. Ausatmen und einatmen. Sorge
und Anspannung ausatmen, Vertrauen und Zuversicht einatmen. Unser
Immunsystem stärken, das physische und das seelische.
Wirkliches Vertrauen wächst, wenn ich mitten in der Bedrohung erfahre: Ich halte es
aus. Ich komme durch.

Ich lasse mir etwas einfallen. Das ist ein dritter Aspekt. Und da geschieht ganz viel in
diesen Tagen, was mir Hoffnung macht.
In Marburg wurde gerade die Aktion Coronavirus Nachbarschaftshilfe ins Leben
gerufen. Mehr als 350 Menschen machen schon mit! Unter dem Motto „Gemeinsam
stehen wir die Pandemie durch“ sind an vielen Stellen Plakate aufgehängt mit
Hilfsangeboten, Namen und Telefonnummern, an die man sich wenden kann:
Einkäufe und Besorgungen, Hunde ausführen und Kinder betreuen – was gerade
gebraucht wird. An anderen Orten kochen Bürgervereine Essen und stellen es alten
Menschen vor die Tür. Und auch das finde ich nachahmenswert, wenn Leute, die
Karten für ein Konzert gekauft haben, jetzt sagen: Nein, das Geld will ich nicht
zurück. Ich möchte die freiberuflichen Musiker und Musikerinnen unterstützen, die
jetzt keine Einkünfte mehr haben.

Welches Korn lege ich in den Acker? Diesen Impuls nehme ich mit in die neue
Woche. Denn wir alle sind gefragt. Jeder und jede von uns. Damit die Samenkörner
der Solidarität und des Mitgefühls aufgehen und Frucht bringen.

Am Sonntag Lätare haben wir in unseren Gemeinden oft Weizen gesät. Wenn die
Körner genug Wasser bekommen und Licht, gehen sie auf. Schon nach wenigen
Tagen keimt es. Nach einer Woche schimmert es zart … und an Ostern stehen die
Halme, kräftig und grün. Voller Hoffnung, voller Leben.
Weizen säen, das ist an diesem Sonntag für mich auch ein Symbol für unser Gebet.
Meine Sorgen und Ängste lege ich in Gottes Hand. Meine Unsicherheit und meine
Hoffnung.
Und ich vertraue darauf, dass meine Gebete erhört werden. Dass Gott meine Sorge
verwandelt in Zuversicht und meine Angst in Vertrauen. Dass Liebe wächst wie
Weizen….

Lied: EG 98 Korn, das in die Erde (Ka Young Lee)

Gebet

Fallen lassen,
meine Sorge und Anspannung,
die auferlegte und die selber gemachte.
Mich fallen lassen
in den Boden deiner Liebe –
Dazu hilf mir, mein Gott.

Mir etwas einfallen lassen,
lebendig werden und kreativ,
das wünsche ich mir und bitte dich:
Zeig mir, welches Korn ich in den Acker legen kann,
damit neues Leben wächst und Frucht bringt.

Barmherziger Gott, wir bitten für alle, die krank sind.
Sei du ihnen nahe, dass sie die nötige Behandlung bekommen,
Trost und Beistand in ihrer Not.
Für alle, die mit großem Einsatz forschen,
dass es ihnen gelingt, Impfstoffe zu entwickeln.

Für Ärztinnen und Ärzte, Schwestern und Pfleger, bitten wir.
Für alle, die uns in Supermärkten mit Lebensmitteln versorgen:
Gib ihnen Kraft für ihren Dienst und bewahre sie vor Ansteckung.

Wir bitten für alle, die um ihre Existenz fürchten,
um einen langen Atem und die Unterstützung, die sie jetzt brauchen.

Für alle, denen das Nötigste fehlt,
und die jetzt doppelt getroffen sind:
Für die Menschen in den Flüchtlingslagern;
für alle, die unter Hunger und Gewalt leiden.
Höre ihr Flehen!
Zeig uns, wo wir helfen können
Für alle, die helfen, beten wir,
um Ideen und gutes Gelingen.
Und um viele Menschen, die mitmachen,
damit Mitgefühl und Solidarität unter uns wachsen.

Vater unser im Himmel…

Segen